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Mit dem Herzen denken

Wie oft sagen wir, dass wir glücklich sind? Jeannine Frank sagt es oft. Sie hat das Down-Syndrom, ist geistig beeinträchtigt – und lehrt uns Wichtiges.

Name: Jeannine Frank

Geburtsdatum: 13.12.1986

Beruf: arbeitet in einer Werkstatt der Lebenshilfe in der Qualitätskontrolle

Hobbys: Badminton, Schwimmen, Krafttraining, Tanzen und Singen

Kraft bedeutet für mich: nette Leute zu treffen.

Worte haben in unserem täglichen Miteinander einen hohen Stellenwert: sei es die Besprechung mit der Chefin oder der Plausch mit dem Nachbarn. Oft finden wir über Sprache den ersten Zugang zu Fremden. Wie selbstverständlich diese Art der Kontaktaufnahme ist, wird klar, wenn man Jeannine Frank zum ersten Mal begegnet.

Jeannine Frank ist eine kleine Frau mit langen, dunkelblonden Haaren. An diesem Tag trägt sie ein schwarzes T-Shirt und gerade wirkt sie, als würde sie am liebsten komplett in dieses T-Shirt hineinkriechen: Sie zieht die Schultern hoch, beugt den Kopf vor und wird dadurch noch ein bisschen kleiner. Und sie sagt: nichts. Jeannine Frank ist 30 Jahre alt. Sie wurde mit Down-Syndrom geboren, kann weder lesen noch schreiben. Und wenn sie redet, ist das manchmal schwer zu verstehen. Fühlt sie sich unsicher, sagt sie eben einfach gar nichts.

Dafür hat die junge Frau Ausdrucksformen gefunden, für die keine Sprache nötig ist, wie beispielsweise das Tanzen. Manchmal singt sie auch einfach, um ihre Emotionen zu zeigen und schickt das Lied dann per Smartphone an ihre Schwester. Von Jeannine Frank lernt man, dass Sprache oft gar nicht so entscheidend ist. Vor allem dann nicht, wenn es um Gefühle geht: um Freude zum Beispiel, oder Dankbarkeit. Jeannine Frank ist so glücklich über die wunderschönen Bilder, die die Fotografin gerade von ihr gemacht hat, dass sie sich spontan mit einer herzlichen Umarmung von ihr verabschiedet. Die Fotografin bleibt gerührt zurück – und für einen Moment sprachlos ...

Das Training

Menschen mit Down-Syndrom haben in der Regel eine eher schwache Muskulatur, sind übergelenkig und neigen zu Gewichtszunahme. Jeannine Frank hat zudem Knieschmerzen. Deshalb macht sie bei Kieser Training ein Ganzkörper-Krafttraining zum Muskelaufbau mit Schwerpunkt auf die Bauch-und Beinmuskeln, um die Knie zu stabilisieren. Die Beinkraft hilft ihr auch beim Badminton-Spielen.


Diese Worte finden die Menschen, die Jeannine Frank besonders nahe stehen:

Astrid Bodenstein, Heilpädagogin und Gruppenleiterin der Werkstatt der Lebenshilfe, in der Jeannine Frank arbeitet, gleichzeitig ihre Badminton-Trainerin

„Ich kenne Jeannine seit dreizehn Jahren. In der Werkstattgruppe der Lebenshilfe ist es ihre Aufgabe, Handtaschen zu kontrollieren, bevor sie an die Kunden verschickt werden. Außerdem trainiere ich Jeannine im Badminton. Anfangs fiel ihr das Badminton-Spielen aufgrund ihrer motorischen Beeinträchtigung sehr schwer. Den Ball mit dem Schläger zu treffen oder rückwärts zu laufen, schaffte sie kaum. Außerdem hatte sie Angst, ihr Gegner könnte böse sein, wenn sie ihm einen schwierigen Ball zuspielt. Deswegen hat sie zuerst besonders rücksichtsvoll gespielt. So musste sie viele Misserfolge verkraften, trotzdem hat sie über Jahre hinweg regelmäßig geübt. Ihr Einsatz hat sich gelohnt: Im vergangenen Jahr hat sie die Bronze-Medaille bei den Special Olympics in Hannover gewonnen. Sie stand zum ersten Mal auf dem Siegertreppchen und hat über das ganze Gesicht gestrahlt.
Was ich an Jeannine besonders schätze, ist, dass sie so herzlich ist. Sie denkt mit dem Herzen. Vertrauten Personen zeigt sie ihre Gefühle ganz offen, umarmt sie zum Beispiel spontan, wenn sie sich gut fühlt. Wenn sie sich nicht gut fühlt, zieht sie sich zurück und weint auch mal. Ich habe von ihr gelernt, mehr auf mich selbst zu hören und darauf, wie es mir gerade geht.“

Carola Frank, Mutter von Jeannine Frank und Instruktorin bei Kieser Training

„Jeannine hat sich trotz ihrer Einschränkungen eine größtmögliche Selbstständigkeit erarbeitet. Obwohl sie weder lesen noch schreiben kann, fährt sie allein mit öffentlichen Verkehrsmitteln: zur Arbeit in der Lebenshilfe-Werkstatt, zur Bücherei, zum Badminton-Spielen oder zu mir. Dabei muss sie umsteigen. Wenn ein Bus etwa wegen einer Baustelle eine andere Strecke fährt, kann sie niemanden fragen. Sie spricht ziemlich undeutlich, Fremde würden sie nicht verstehen. Trotzdem ist es ihr wichtig, alleine zu fahren und sie bekommt das auch hin.

Ihre Meinung äußert sie völlig frei. Einmal wollte sich eine ältere Frau, die bei uns zu Besuch war und die Jeannine zum ersten Mal getroffen hat, mit einer Umarmung von ihr verabschieden. Jeannine hat gesagt: „Nein, ich kenne dich nicht“ und der Frau zum Abschied die Hand hingestreckt.

Ich habe von meiner Tochter gelernt, mich vom Leistungsdenken zu verabschieden. Auch wenn sie viele Sachen nicht kann, bin ich genauso stolz auf sie, wie auf meine beiden anderen Kinder, die studiert haben. Viele Menschen sehen nur den Behinderten und nicht die Person dahinter. Jeannine sagt oft: „Ich bin so glücklich“. Dass sie in ihrer Welt so glücklich sein kann, finde ich enorm.“

Text: Monika Herbst
Fotos: Verena Meier